Nachgedacht – Gedanken und Andachten

Ostern ohne Karfreitag
In wenigen Tagen werden wir Ostern feiern. Es wird geplant – vielleicht nicht so, wie für die Weihnachtsfeiertage –, aber auch hier soll es an nichts fehlen. Verständlich. Denn auch diese Feiertage sollen so werden, dass wir nachher sagen können: „Das waren schöne Feiertage!“ Ostern – und wenn dann noch die Sonne scheint, vielleicht sogar die Natur ein wenig erwacht – was will „man“ mehr?
Allzu verständlich, diese Wünsche, und daran ist überhaupt nichts auszusetzen, wirklich nicht. Und so werden wir auch die Wünsche vor Ostern hören und vielleicht sagen: „Noch ein schönes Osterfest!“ Oder: „Frohe Osterfeiertage!“
Ja, das wünschen wir uns vermutlich alle. Sehr verständlich und diejenigen, die jetzt das „aber“ hören, muss ich enttäuschen. Wirklich verständlich und ganz ohne den „moralisch, christlichen“ Zeigefinger.
Worauf wir bei allen unseren Wünschen für ein „schönes Osterfest“ dennoch achten sollten, ist, dass Ostern etwas vorausgeht. Ostern löst die Spannung auf, die sich zwei Tage vorher aufgebaut hat, damals vor Jerusalem, auf dem Hinrichtungshügel, genannt Golgatha.
Die Spannung, wie es denn nun weitergehen würde. Denn augenscheinlich war Jesus gescheitert – und mit ihm alles, was er vorher gesagt und getan hatte. Sie hatten ihn „mundtot“ gemacht. Was viele damals mit ihm verbanden, starb mit Jesus an diesem Tag vor Jerusalem.
Der Name Golgatha war untrennbar verbunden mit Leiden, Grausamkeit, Unbarmherzigkeit und letztlich elendigem Sterben unter den unbarmherzigen und manchmal auch schaulustigen Blicken anderer.
Interessanterweise kommt dieser Tag in den Wünschen der Osterwoche kaum oder vielleicht auch gar nicht vor. Keiner wünscht dem anderen einen „gesegneten Karfreitag“ oder „besinnliche Passionstage“ (also Leidenstage). Unser Blick geht schon auf Ostern und übergeht oft den Freitag, der etwas völlig anderes verkörpert.
„Ach, das hat sich halt so eingebürgert!“ – Schon, aber ist das ein hinreichender Grund? „Das klingt einfach netter: Frohe Ostern!“ – Ist der gute Klang entscheidend?
- Nein, ohne Karfreitag wäre der Sonntag danach einer wie jeder andere.
- Keine Osterfreude ohne den unsäglichen Schmerz am und für uns unter dem Kreuz!
- Kein leeres Grab ohne einen Leichnam, den sie zuvor hineingelegt haben.
- Keine Auferstehung ohne Tod.
- Kein Sieg ohne Kampf.
- Keine Vergebung für alle Menschen ohne Christi Opfer.
- Kein Ostern ohne Kreuz!
Warum drücken wir uns aber dennoch so gern um den Karfreitag herum?
Weil dieser Tag uns vor Augen führt, was nötig war, damit Ostern werden konnte. Er zeigt, dass dem Ostermorgen das Leiden vorgeschaltet war – und zwar stellvertretendes Leiden.
Jesus, der sich nichts zu Schulden hatte kommen lassen, leidet unter Deiner und meiner Schuld und lässt sich die Schuld aufladen. Schuld, die darin begründet ist, dass wir schuldig wurden und werden an Gott, unseren Mitmenschen und uns selbst.
Leiden ist Ostern vorgeschaltet und wir wollen dem oftmals entgehen und uns ihm nicht stellen. Wir nehmen lieber die Abkürzung: Gewinnen, ohne zu kämpfen; Veränderung, ohne die notwendigen Konsequenzen zu erleben; gesund sein, ohne die Krankheit durchzumachen; „schöne Ostern“ erleben, ohne Karfreitag auf uns wirken zu lassen.
So sind wir – Gott ist anders. Er fährt nach Plan und nimmt keine Abkürzung. Deshalb, und n u r deshalb wurde es möglich, überhaupt Ostern zu feiern.
So wünsche ich uns, dass wir nicht „nur“ auf Ostern schauen, sondern auch auf Karfreitag, dort „Halt-machen“, ihn wahr- und ernstnehmen. Und dann am Ostersonntag so richtig feiern, weil Jesus lebt und an unserer Seite ist.
Herzlichst Euer
Christoph Henss