Nachgedacht

Auf ein Wort

Ostern ohne Karfreitag?

„Noch ein schönes Osterfest!“ Oder: „Frohe Osterfeiertage!“ So oder so ähnlich werden wir es wieder hören und vielleicht auch anderen wünschen. Dann, wenn wir uns vor dem Osterfest von anderen verabschieden und sie erst nach Ostern wiedersehen. Was wir dabei im Blick haben, ist der Ostersonntag und das mit Recht. An diesem Tag feiern wir, dass der allmächtige Gott seinen Sohn Jesus von den Toten auferweckt hat.

Der Ostersonntag löst gewissermaßen eine Spannung auf, die sich zwei Tage zuvor, damals vor Jerusalem, auf dem Hinrichtungshügel, genannt Golgatha, aufgebaut hatte.

Die Spannung, wie es nun weitergehen würde. Denn anscheinend war Jesus gescheitert – und mit ihm alles, was er zuvor gesagt und getan hatte. Man hatte ihn „mundtot“ gemacht. Was viele damals mit ihm verbunden hatte, war an diesem Tag vor Jerusalem mit Jesus gestorben.

Der Name Golgatha war und ist untrennbar verbunden mit Leiden, Grausamkeit, Unbarmherzigkeit und schließlich dem elenden Tod unter den unbarmherzigen und manchmal auch schaulustigen Blicken anderer.

Interessanterweise kommt der Karfreitag in den Wünschen für die Osterwoche kaum oder gar nicht vor. Niemand wünscht dem anderen einen „gesegneten Karfreitag“ oder „besinnliche Passionstage“ (also Leidenstage). Unser Blick ist schon auf Ostern gerichtet und übergeht oft den Freitag, der etwas völlig anderes verkörpert.

Aber bei aller Freude über Ostern: Ostern wäre ohne Karfreitag nie möglich gewesen. Ohne Karfreitag wäre der Sonntag danach ein Sonntag wie jeder andere.

Anders ausgedrückt:

  • Keine Osterfreude ohne den unsäglichen Schmerz am – und für uns unter dem – Kreuz!
  • Kein leeres Grab ohne einen Leichnam, der vorher hineingelegt wurde!
  • Keine Auferstehung ohne Sterben.
  • Kein Sieg ohne Kampf.
  • Keine Vergebung für alle Menschen ohne das Opfer Christi.
  • Kein Ostern ohne das Kreuz!

Vielleicht wird der Karfreitag gerne übersprungen, weil er zeigt, dass dem Ostermorgen das Leiden vorausging – und zwar das stellvertretende Leiden.

Jesus, der sich nichts hat zuschulden kommen lassen, nimmt stellvertretend Deine und meine Schuld auf sich, leidet und bezahlt dafür mit seinem Leben. Schuld, die darin begründet ist, dass wir schuldig geworden sind und werden, an Gott, an unseren Mitmenschen und an uns selbst.

Das Leiden geht Ostern voraus, aber wir nehmen lieber die Abkürzung: gewinnen, ohne zu kämpfen; Veränderung, ohne die notwendigen Konsequenzen zu erleben; „schöne Ostern“ erleben, ohne Karfreitag auf uns wirken zu lassen.

So sind wir – Gott ist anders. Er geht seinen Weg und nimmt keine Abkürzung. Deshalb,

und NUR deshalb ist es möglich geworden, überhaupt Ostern zu feiern.

So wünsche ich uns, dass wir gerne auf Ostern schauen, aber vorher auf Karfreitag; dass wir dort „Halt machen“, ihn wahr- und ernstnehmen und dass wir es aushalten, dass Jesu stellvertretendes Leiden und Sterben für mich geschehen ist.

Dann kann und darf ich am Ostersonntag richtig feiern, weil Jesus lebt und an unserer Seite ist.

In diesem Sinne 

Herzlichst Euer